Sachverständigenrat für Umweltfragen

Grundwasserschutz verbesserungsbedürftig

Datum 27.02.1998

Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen übergab der Bundesregierung am 27. Februar 1998 in Bonn sein Sondergutachten "Flächendeckend wirksamer Grundwasserschutz. Ein Schritt zur dauerhaft umweltgerechten Entwicklung".

In seinem Gutachten unterzieht der Umweltrat die gegenwärtige Praxis des Grundwasserschutzes einer kritischen Prüfung und entwickelt Vorschläge für eine künftige umweltgerechte Grundwasserpolitik. Der Umweltrat macht dabei deutlich, daß am Umweltqualitätsziel "anthropogen möglichst unbelastetes Grundwasser" und am Umwelthandlungsziel "flächendeckender Grundwasserschutz" nicht gedeutelt werden darf.

Die geltenden Gesetze und Verordnungen entsprechen zwar weitgehend dem eingeforderten Grundsatz "anthropogen möglichst unbelastetes Grundwasser". Der Umweltrat mußte allerdings feststellen, daß erhebliche Defizite im Vollzug herrschen.

Trotz verminderter Stoffeinträge aus landwirtschaftlichen Nutzungen ist das Grundwasser nach wie vor durch Nitrat und Pflanzenschutzmittel gefährdet. Ebenso belasten Verkehrsemissionen die Böden; in den Boden eingetragene Stoffe werden freigesetzt und gelangen ins Grundwasser. Zudem beeinträchtigen Flächenversiegelungen und wasserbauliche Maßnahmen die Grundwasserneubildung. Hierdurch werden Grundwasservorkommen und grundwasserabhängige Biotope (z. B. Auenwälder) gefährdet.

Der Umweltrat fordert, die komplizierten Vorgänge im Boden stärker in den Grundwasserschutz einzubeziehen. Die Kenntnisse über die vielfältigen Ursache– Wirkungszusammenhänge im Landschaftswasserhaushalt sind allerdings noch unzureichend. Daher vermerkt der Umweltrat hier einen erheblichen Forschungsbedarf.

Wasserschutzgebiete alleine gewährleisten keineswegs einen flächendeckenden Grundwasserschutz. / Das Konzept der Grundwassereinheiten für die Umsetzung eines flächendeckenden Grundwasserschutzes

Ein flächendeckender Grundwasserschutz muß die regional stark unterschiedlichen Wechselbeziehungen berücksichtigen, die zwischen Oberflächengewässern und Grundwasser einerseits, und Böden oder Gesteinen und Grundwasser andererseits bestehen. Auch müssen die großräumigen hydraulischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen – nur schwer voneinander abgrenzbaren – Grundwasservorkommen berücksichtigt werden. Ein Boden- und Grundwasserschutz mit dem Qualitätsziel "anthropogen möglichst unbelastetes Grundwasser" erfordert flächendeckend einen standortangepaßten Schutzaufwand. Es muß also räumlich differenziert vorgegangen werden. Der Umweltrat tritt nachdrücklich dafür ein, mittels Festlegung gegebenenfalls auch länderübergreifender Grundwassereinheiten/-untereinheiten eine einheitliche Erfassungs- und Bewertungssystematik für die Grundwasserbeschaffenheit und für die Abschätzung der Belastungsempfindlichkeit gegenüber Stoffeinträgen und strukturellen Eingriffen zu schaffen. Die nach den Vorstellungen des Umweltrates neu festzulegenden Grundwassereinheiten sollen die bisher üblichen Grundwasserlandschaften und -regionen mit ihrer länderspezifischen Prägung ablösen und an Prozeßabläufen sowie an physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften der Grundwasservorkommen ansetzen. Das vom Umweltrat entwickelte Konzept ist überregional und flächendeckend anwendbar. Die Charakterisierung der Grundwasservorkommen sowie die Bestimmung der potentiell geogenen Grundwasserbeschaffenheit sollte mit einem optimierten Gütemeßnetz erfaßt werden, um repräsentative und vergleichbare, d.h. in allen Ländern auf einheitlicher Basis erhobene Daten zu erhalten. Die Grundwassereinheiten bilden somit den jeweiligen Referenzrahmen für die potentielle geogene Grundwasserbeschaffenheit sowie für das aktuelle Konzentrationsniveau. In Abhängigkeit von der Belastungsempfindlichkeit sind entsprechende Maßnahmen zu treffen, z. B. Vorranggebiete auszuweisen. Im Gewässerschutz fehlen derzeit bundesweit vereinheitlichte Vorgehensweisen. Institutionelle Zuständigkeiten sollten nicht an Verwaltungsstrukturen, sondern an fachlich begründeten Notwendigkeiten ausgerichtet werden. Bisher war der Grundwasserschutz stark an der Bewirtschaftung von Wassermengen orientiert. Zukünftig sollte unterBerücksichtigung ökologischer Erfordernisse stärker die Sicherstellung und Überwachung der Wasserqualität berücksichtigt werden.

Nur mit der richtigen Instrumentenwahl ist die Umsetzung eines flächendeckenden Grundwasserschutzes möglich. / Auch die Raumplanung muß Grundwasserschutz berücksichtigen.

Genehmigungsbedürftige Planungen (z. B. Gebiete für Industrie und produzierendes Gewerbe) und Anlagen (z. B. gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe, Verkehrsanlagen, Abfallbehandlungsanlagen und Deponien) sowie Anlagen mit hohem Betriebsrisiko können schädliche Auswirkungen auf das Grundwasser haben. Zum Schutz des Grundwassers sollten deshalb nach Ansicht des Umweltrates planerische Instrumente gestärkt werden. Zudem sollte rechtlich abgesichert werden, daß Grundwasserschutzbelangen in besonders schutzwürdigen Regionen bei behördlichen Entscheidungen über Planungen und die Zulassung von Einzelvorhaben mit wasserwirtschaftlicher Bedeutung unbedingt Vorrang eingeräumt wird.

Region als Anbieter von Wasserentnahmerechten / Regulierung des Verbrauchs über den Preis

Nach Ansicht des Umweltrates sollte das nutzbare Grundwasserdargebot auch zukünftig von den Fachbehörden ermittelt werden. Allerdings sollte die Region selbst über die Verleihung der Wasserentnahmerechte entscheiden können. Sie wird dabei zum Anbieter von Entnahmerechten für Grundwasser. Mit dem Übergang der Befugnis, Wasserrechte zu verleihen, erhält die Region die Möglichkeit, Einnahmen aus dem Verkauf von Wasserentnahmerechten zu erzielen. Entscheidungen der Region sind aber der oberen Wasserbehörde vorzulegen. Diese hat ein präventives und ein nachträgliches Beanstandungsrecht. Bei der Erhebung von Wasserentnahmeentgelten durch die Länder sollte die öffentliche Wasserversorgung mit den gleichen Entgelten belegt werden wie alle anderen Nutzer. Eine effiziente Aufteilung eines gegebenen Wasserangebots wird sich nur dann einstellen, wenn sich alle Nachfrager an den gleichen Preis anpassen. Die Entrichtung des Preises auch durch die öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen ist zudem Voraussetzung dafür, daß Knappheitssignale im Wege kostendeckender Gebühren an die Endabnehmer weitergereicht werden, um dort entsprechende Verhaltensanpassungen anzuregen.

Grundwasserschutz ist eine Langzeitaufgabe.

Eine Neuordnung der Landnutzung im Sinne des flächendeckenden Grundwasserschutzes kann nur langfristig umgesetzt werden. Bereits jetzt sollten allerdings Schritte in diese Richtung eingeleitet werden.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK